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FalterKommentar

(c) für alle Texte: Der Falter, 36341 Lauterbach

 

Schlaflied für die Verantwortlichen

(Nach der Melodie von „Schlaflied für Anne“ von Fredrik Vahle)
Die erste Strophe ist Claudia Blum gewidmet, der Bürgermeisterin von Homberg / Ohm.


Claudia, schlaf nur ein, Deges kommt bald,
baut eine Autobahn durch diesen Wald.
Auch ein Gewerbegebiet wird gebaut.
Das gibt sehr viel Verkehr, das wird sehr laut.

Deges und Strabag, träumt von Macht und Geld!
Gibt es denn besseres auf dieser Welt?
Wenn aber Büsche und Bäume verdorrn,
ist auch die Menschheit für immer verlorn!

Kreis, Bund und Länder, träumt auch diesen Traum!
Wurd‘ Euch ins Ohr gesetzt, merktet es kaum.
Baut weiter Strassen durch finstere Nacht
Bis euch der Morgen die Augen aufmacht.

©Falter 16.07.2020

 

 

Tatütata im Dannenröder Wald

Polizei sorgt für Zucht und Ordnung

Was tun an einem Sommertag, wenn das Vieh auf der Weide durstig ist? Man bringt Wasser, ganz klar. So auch die umsichtige Landwirtin, die gleich einen ganzen Tank mit Wasser auf die Gabel ihres Bulldogs lud, denn Durst ist ja bekanntlich schlimmer als Heimweh.
Auf dem Weg zu ihren Tieren lagen jedoch diverse Hindernisse, das mächtigste davon der Dannenröder Forst. Den zu umfahren schickte sie sich an, wurde jedoch durch einen Berufskollegen daran gehindert, der gerade dabei war, Heuballen aufzuladen. Also fuhr sie zurück und entschloss sich, den finsteren Forst als Abkürzung zu nehmen.


Wasser kommt nicht aus dem Nichts, selbst wenn es manchmal so aussieht - man muss es transportieren!
(Bild: Krauß)


Darauf hatten die wackeren Gesetzeshüter, wie so oft vor Ort und stets darauf bedacht, den Wald und seine Bewohner vor Unbill zu bewahren, nur gewartet. Unverzüglich nahmen sie die Verfolgung auf und rasten mit Blaulicht hinter dem dahinzuckelnden Bulldog her. Am Waldesrand wurden sie der Bäuerin habhaft.
Den Motor solle sie abstellen. Die brave Staatsbürgerin tat wie geheißen. Sie solle umgehend den Wald verlassen, so lautete der Befehl des Büttels. Auch hier wollte die inzwischen leicht eingeschüchterte Landwirtin gehorchen und sie begann, ihr Gefährt zu wenden. Nein! Erscholl es da aus dem Munde der Vogelsberger Version Hank Schraders, zu Fuß habe sie zu gehen, unter Herausgabe ihres Bulldogschlüssels. An dieser Stelle  biss man jedoch bei der Dame vom Land auf Granit, und auch das Einlenken des Gesetzeshüters, man werden den Schlüssel auch eigenhändig zu ihrem Hause bringen, brachte sie nicht von ihrer Sturheit ab. Da wurde der Inspektor böse: Einen Punkt in Flensburg gebe es, ließe sie nicht von ihrem schändlichen Treiben ab, außerdem drohe dem Besitzer des Bulldog eine Geldstrafe, wie sie die Welt noch nicht gesehen habe, sollte sie sich weiterhin weigern, den Befehlen Folge zu leisten, und überhaupt, wo seien denn ihre Papiere? Hier hätte sie mit den Worten Reinhard Meys kontern können („Das ist mir besonders peinlich, weil ich Papiere immer verliere…“), die ihr jedoch gerade nicht einfallen wollten. Auch dies, so der Schutzmann, könne sie teuer zu stehen kommen. Zudem könne sie ihren Führerschein verlieren und der Bulldog werde stillgelegt, jawohl, da könne ja jeder kommen, mit einem Tank Wasser, mitten im Sommer, so einfach durch den Wald…
Einen Grund für dieses Verbot wollte die Landfrau wissen. Nun ja, so hieß es auf Seiten der Polizei, Mit einem Tank vor Augen könne sie doch nicht mehr sehen, und im Wald befänden sich Menschen, und diese könnten verletzt werden.
Die Situation endete etwas verfahren, doch rührt die Fürsorge, mit der die Polizei sich um die Waldbesetzer und ihre Besucher kümmerte, die auf halber Strecke zwischen der Bäuerin mit dem Wassertank und dem durstigen Vieh leben. Honni soit qui mal y pense.

Was aber ist dran an den Behauptungen des Wachtmeisters?

Paragraph 15, Absatz 5 des Hessischem Waldgesetzes gibt dem Gesetzeshüter Recht. Er besagt, dass  „Jedes Betreten und jede Benutzung des Waldes, die über das nach Abs. 1 bis 4 zulässige Maß hinausgeht“, der Zustimmung der Waldbesitzerin oder des Waldbesitzers bedürfe. Desweiteren heißt es hier: „Einer Zustimmung bedürfen insbesondere 1. das Befahren von Waldwegen mit motorgetriebenen Fahrzeugen, für die ein Versicherungs- oder ein amtliches Kennzeichen erforderlich ist…“.
Allerdings stellt sich hier die Frage, warum jetzt, wo es um einen Tank mit Wasser geht, der Schutz des Waldes unseren Freunden und Helfern so sehr am Herzen liegt, die komplette Zerstörung desselben durch die Deges sie hingegen offensichtlich kalt lässt?
Daher, liebe Polizei: Lassen Sie bei Landwirten doch ruhig mal Fünfe grade sein, aber legen Sie sich mächtig ins Zeug, wenn Deges und Strabag ihre Mordinstrumente anrollen lassen! Wenn diese Vereinigungen beginnen,  250-jährige Eichen zu fällen und wenn der Asphalt in Strömen fließt, damit, Stoßstange an Stoßstange ein Kraftfahrzeug nach dem anderen dem Dannenröder Wald und seinen menschlichen wie tierischen Bewohner*innen komplett den Rest geben möchte, dann wünsche ich mir Ihren Einsatz! Dann nämlich will ich eine Phalanx aus blauen Uniformen, blitzendem Blaulicht und vor Wut und Empörung laut aufjaulenden Martinshörnern sehen und hören, auf dass die wahren Waldzerstörer von ihrem schändlichen Tun ablassen, auf dass der Danni weiterhin unser Wasser hüte und der Bechsteinfledermaus ein Zuhause biete.
Bitte schützen Sie uns, die Menschen,  und nicht… ja, wen eigentlich?

 

 

Eine Güllegeschichte.
Fotos und Text: Falter.

 


Da fährt der Bauer Gülle. So geschehen am 23. Mai 2020, eine Stunde, nachdem es geregnet hat.

 


In der Nähe dieses Wasserhochbehälters.

 


Bei diesem schönen Ort in Hessisch Sibirien.

 


Zu diesem Bauern gehört dieses grüne Kreuz. So sind’se.

 

* * * * *

 

 

25. Januar 2020

Unmensch

Rodung eines Waldes: menschlich, tierisch, sachlich?

Fassungslos starrt die kleine Gruppe Menschen auf die kahle Fläche entlang der geplanten Trasse. „Käferholz“ sollte hier gefällt worden sein, „durchforstet“ habe man den Wald. Die Fichten, die noch nicht abtransportiert sind, sehen nicht alle nach Borkenkäferopfern aus und die Baumstümpfe erzählen Geschichten von zu Unrecht vernichteten Laubbäumen. Wer ist zu so etwas fähig? Die DEGES, ja, aber ist es nicht auch der universal Soldier auf dem Harvester? Der Befehlsempfänger, der nicht fragt? Handelt es sich hier nicht um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Begangen von einem Unmenschen?
Nein, sagt eine Aktivistin. Nein. „Es gibt keine Unmenschen. Es gibt nur Menschen, und Menschen haben Angst.“. Ich schäme mich und überlege, was eigentlich menschlich ist.

Ein Gespräch mit einem Fuldaer Psychotherapeuten fällt mir ein. Er hat Schwerverbrecher beurteilt, es lag an ihm, ob ein Mörder und Vergewaltiger noch hinter Gittern bleiben oder frei sein durfte. Er erinnerte sich an den ersten Mörder, dem er begegnet ist. Der Psychiater hatte dessen Akte gelesen, wusste, zu welchen Dingen der „Patient“ fähig war, betrat die Zelle und erschrak: Vor ihm, so erzählt er, saß ein ganz normaler Mensch!

Grausamkeit und Egoismus ist Teil des Menschseins. Ich denke an die Fuchsjagd, die nur der Befriedigung der jagdlichen Passion dient, an Pelzkrägen und wieder an den Dannenröder Wald und schäme mich, ein Mensch zu sein.

Sind Tiere also besser? Immerhin sind wir nichts weiter als eine Affenart. Hat dieser Gedanke nicht etwas Tröstliches?
Sehen wir uns zum Beispiel den Ehrenkodex eines Hundes an: Der Stärkere hat Recht, sein Gewissen erschöpft sich darin, brav zu tun was Herrchen oder der Leitwolf sagt. „Brav, Hasso.“
Oder die Fledermaus. Fledermäuse erziehen ihre Kinder zwei wichtigen Erziehungsgrundsätzen:
§1: Was mich nervt, ist verboten.
§2: Wer anders ist, fliegt `raus.
Eine leicht behinderte Fledermaus wurde von ihrem Mitgefangenen eingeschüchtert und ausgegrenzt; ein Fledermauskind, das vor dem Versteck eines Männchens „Klingelgeister“ spielte, versuchte, ihn aus der Reserve zu locken, wurde gejagt und gebissen. Zum Glück gab es Spielkameraden, die den jämmerlich Piepsenden trösten konnten.
Tiere denken also nur bedingt über das Seelenleben ihrer Mitgeschöpfe nach, ihre Entscheidungen sind nicht immer „sinnvoll“, oft aus Egoismus oder Ängstlichkeit geboren -- wie das Verhalten der Harvesterfahrer, das Verhalten von Menschen.

„Menschlichkeit“ ist also nicht notwendigerweise gut, sie kann „unmenschlich“, ja „tierisch“ sein, wobei letzteres aber auch nicht notwendigerweise schlecht ist, wie man an einer sehr fülligen Fledermausdame sehen konnte, die das „gedisste“ Fledermausmädchen unter ihre Flügel nahm und ihm letztendlich die Psyche rettete, sodass es ausgewildert werden konnte. Dieses „tierische“ Verhalten war liebevoll, altruistisch und, ohne dass die Flaus es wusste, sogar im Sinne des Naturschutzes.

Dieses „tierisch menschliche“ Verhalten sollten wir Menschen anstreben, indem wir neben unseren Emotionen den Verstand befragen. Dieser sollte weder „menschlich“ noch „tierisch“ sein, sondern „sachlich“. Und „sachliche“ Gründe verbieten das Abholzen dieses Waldes erst recht!